Aufträge der Städte werden nicht angenommen.
In der vergangenen Woche gab es „wieder einmal“ einen Thementag „Fachkräftemangel“ im WDR. Der Tag endete mit einer TV-Dokumentation. Hier war das Schwerpunktthema, dass Städte ihre Aufträge nicht platzieren können, weil Handwerker nicht einmal ein Angebot abgeben.
An dieser Stelle wurden wieder dringend notwendige Sanierungen gezeigt, genauso wie besonders prestigeträchtige Neubauten, die entweder gar nicht begonnen oder nicht fertiggestellt werden können.
Die Gründe dafür wiederholen sich gebetsmühlenartig. 1. Es gibt zu wenig Fachkräfte. 2. Das Ausschreibungsverfahren ist zu aufwendig, zu kompliziert und – es gibt zu wenig Aussicht auf Erfolg.
Schauen wir uns das einmal genau an.
Es ist schon richtig, dass es Handwerksbetriebe gibt, denen Mitarbeiter fehlen. Daran besteht kein Zweifel. Allerdings tun wir in der Diskussion so, als wäre dies ein Problem der Gegenwart. Wir vergessen sehr schnell, dass wir Eltern und alle Institutionen, die es in unserer Gesellschaft seit Jahren gibt, nein – sehr Jahrzehnten aktiv darauf hingearbeitet haben. Den Kindern wird von allen Seiten bereits vom Kindergarten an ein suggeriert, dass nur Menschen ein glückliches, zufriedenes und erfolgreiches Leben führen können, wenn sie mindestens ein 2er-Abitur haben. Danach wartet eine akademische Laufbahn und – alles ist fein. Dass man mit einem Hauptschulabschluss und einer gewerblichen Ausbildung ein ebenso zufriedenes Leben führen kann, wird nicht in Betracht gezogen.
Gibt es eigentlich noch „Werken“ oder „Handarbeiten“ in der Schulte? Werden unsere Kinder noch nach ihren individuellen Fähigkeiten gefordert und gefördert oder, geht alles „nur“ nach einem bestimmten Lehrplan und „alle“, ob fähig oder unfähig, werden durch diesen Plan geschleust?
Erinnern wir uns noch daran, wie Kinder gehänselt wurden, wenn es hieß, der Vater ist Maler (Pinselquäler), Installateur (Gas, Wasser, Sch…), oder die Mutter ist Reinigungsfachkraft (Putze) oder Verkäuferin (Bügelputzerin). Immer nach dem Motto: wer nichts wird, wird Wirt! Gab es ähnliche oder vergleichbare Sprüche, wenn die Eltern Lehrer, Ärzte oder Richter waren? Auch heute noch werden Klassenarbeiten mit nicht so gutem Ergebnis übergeben und mit Sprüchen, wie: … mache dir nichts draus, du kannst immer noch Frisör werden … kommentiert. Das sind die berühmten Geister, die wir riefen. Wir werden sie nicht mehr los.
Die Diskussion um das Thema „Ausschreibungen“ wird ebenfalls ad-absurdum geführt. Das Ganze ist ein Politikum. Wenn eine Stadt ein neues Kulturzentrum bauen möchte und der städtische Haushalt sieht dafür z. B. Ausgaben i. H. v. 5MEUR vor, dann bekommt derjenige den Zuschlag, der sein Angebot mit 4,9MEUR abgibt. Dies, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits jeder weiß, dass das Gebäude mindestens 7,5MEUR kosten wird. Also heißt es später; man habe sich verkalkuliert, die Materialien seien teurer geworden, die Umstände sind nicht so wie geplant usw. Hätte man von vornherein so ausgeschrieben, wie es tatsächlich sein sollte, würde das Gebäude nicht gebaut, weil schließlich der ursprüngliche Haushalt das nicht hergegeben hat. Wir wollen alle deutsche, höchste Qualität zum niedrigsten Preis. Eine Gleichung, die nicht aufgeht und so werden bei Ausschreibung einfach die Materialien soweit heruntergerechnet, dass es später nicht mehr passt und nachgebessert werden muss. Es bleiben diejenigen auf der Strecke, die solide anbieten (wollen).
In der heutigen Argumentation heißt es dann, das Verfahren sei zu kompliziert, zu aufwendig und, es kann halt nur einer gewinnen – also lasse ich es lieber. Auch daran werden wir in unserer immer größer werdenden Bürokratie nichts mehr ändern können.
Über ein Thema wird aber überhaupt nicht gesprochen. Die Städte bezahlen nicht! Natürlich, „irgendwann“ bezahlen die Städte schon – ein Auftrag einer Stadt ist auch weiterhin eine sichere Bank. Aber, bis es so weit ist, sind viele kleine Betriebe pleite.
Jedes Gewerk muss in Form einer Endabnahme abgenommen werden. Also kommen Gutachter*inne und stellen erst einmal einen Mangel fest, der beseitigt werden muss. Dies geschieht natürlich nicht „Standby“, sondern nach-und-nach. Handwerker*innen beseitigen den Mangel und es wird ein neuer Termin vereinbart für die zweite Endabnahme – das kann dauern. Wenn es gut geht, wird die Endabnahme bestätigt. Läuft es nicht so gut, dann wiederholt sich der Vorgang wieder-und-wieder. Wenn dann irgendwann die Endabnahme da ist, darf Handwerker*in die Abschlussrechnung stellen, diese wird in der Stadt geprüft, autorisiert, durchläuft den Verwaltungsapparat und liegt dann bei einer Stelle, die die Zahlung freigibt. Aber, das kann ebenfalls dauern, denn die Städte mögen es, die Zahlungsziele bis zum „Sankt-Nimmerleins-Tag“ auszureizen. Das hält kein Handwerksbetrieb durch, der zuvor das Material eingekauft hat, der Löhne und Steuern für seinen ganzen Betrieb im Vorhinein bezahlt hat. Also sagen sich viele Handwerker*innen: das lassen wir mal lieber. Ich kümmere mich um die Aufträge, die ich in meinem Umfeld abwickeln kann und – die zeitnah bezahlt werden.
Fazit:
Selbst dann, wenn alle Handwerksbetriebe morgen ausreichend Mitarbeiter hätten und alle angenommenen Aufträge zeitnah abwickeln könnten, wäre das Problem noch lange nicht gelöst. Wir würden immer noch vor den Mauern der Bürokratie und der kreativen Zahlungswillkür stehen. Diese Mauern überspringen wir nicht mehr. Denn, je mehr daran gearbeitet wird, die Bürokratie abzubauen – je komplizierter wird es. Warum: weil sich mit diesen Themen „nur“ Akademiker beschäftigten und weit von der Praxis entfernt sind.
Wir werden die Probleme bzgl. des Fachkräftemangels, der Ausschreibungen und der Zahlungsmoral der öffentlichen Hand mit den herkömmlichen Methoden nicht beseitigen können. Dafür gibt es viel zu viele Menschen, die dem im Wege stehen und ihre persönliche Karriere in diesem Bürokratiedschungel aufgebaut haben. Sie werden davon nicht mehr loslassen. Der Weg reicht von der kleinen Gemeinde, über die Kommune, der Stadt, dem Kreis, dem Bezirk, dem Land, der Republik bis nach Europa. Überall sitzen Menschen, die ihre Daseinsberechtigung mit immer neuen Gesetzen und Verordnungen begründen. Dieses Dickicht bekommen wir nicht mehr entflechtet. Ganz im Gegenteil, wir dürfen alle davon ausgehen, dass es in Zukunft noch dichter wird.
Aber, wir würden als Gesellschaft gut daran tun, wenn wir bestimmte Wahrheiten einfach einmal benennen, aussprechen und nicht so lange durch die mediale Mühle drehen, bis wir zum Schluss nur noch eines sagen können: Ach so – ja-nein, wenn das so ist, dann kann man natürlich nichts machen. Dann ist es halt so!
Unternehmensberater für Marketing, Vertrieb und Diversity-Coach, Sprecher, Autor und Copywriter.
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